Die Toxikologie untersucht die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von einzelnen chemischen Substanzen oder Substanzgemischen auf Lebewesen, insbesondere auf den Menschen. Ihre Aufgabe ist es, die Art und das Ausmaß von Schadwirkungen zu erfassen, die zugrunde liegenden schädlichen Wechselwirkungen zwischen dem chemischen Stoff und dem Organismus (sog. Wirkmechanismen) aufzuklären, mögliche Gefährdungen vorherzusagen und das Risiko bei einer gegebenen oder angenommenen Exposition (d. h. Aufnahme bzw. Kontakt) gegenüber dem chemischen Stoff abzuschätzen. Die Toxikologie leistet einen wichtigen Beitrag bei der Entwicklung von Schutz- und Vorsorgemaßnahmen an Arbeitsplätzen sowie im privaten Bereich und gibt Ärzten entscheidende Informationen zur Erkennung und Behandlung von Vergiftungen.

Grundlage der Toxikologie ist die Erkenntnis des Arztes und Naturforschers Paracelsus (1493-1541), dass es a priori keine giftigen oder ungiftigen Stoffe gibt, sondern dass allein die Aufnahmemenge (sog. Dosis) eines Stoffes für seine Giftwirkung oder Unschädlichkeit entscheidend ist. Derselbe Stoff kann Gift oder Nicht-Gift sein, „allein die Dosis macht, dass ein Gift kein Gift sei“. Die Toxikologie geht deshalb davon aus, dass es für jeden Stoff eine individuelle Dosis oder Konzentration gibt, unterhalb derer das Risiko einer Vergiftung Null oder zumindest vernachlässigbar klein ist. Als Ausnahme gelten bestimmte krebserzeugende Stoffe (sog. genotoxische Kanzerogene) sowie erbgutverändernde Stoffe (sog. Mutagene). Für diese Stoffe kann einer von Wissenschaft und Gesellschaft weitgehend akzeptierten Konvention folgend kein gesundheitlich begründbarer Grenzwert, in der Regel aber ein technischer Richt- oder Grenzwert definiert werden. Ziel eines solchen Wertes ist es, die gesundheitlichen Risiken auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Maß zu reduzieren.

Die wissenschaftliche Begründung für die Einstufung eines Stoffes als krebserzeugend, erbgutverändernd oder reproduktionstoxisch sowie für die Etablierung entsprechender Grenz- bzw. Richtwerte ist eine der zentralen und gleichzeitig schwierigsten Aufgaben der Toxikologie. Sie bedarf großer Erfahrung in der Risikobewertung, zu der auch die Analyse der Wirkmechanismen gehört, unter denen Toxizität entsteht. Entsprechend dieser Aufgabenstellung ist die Toxikologie eine Wissenschaft, in der eine Vielzahl unterschiedlichster medizinischer, biologischer, biochemischer und physikalischer Daten erhoben und integrativ bewertet werden. In der Toxikologie sind daher neben Ärzten und Tierärzten auch Wissenschaftler der verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen tätig.

Zu den klassischen Aufgabengebieten der Toxikologie zählen:

Aufgabengebiet Schutzziele
Klinische Toxikologie Erkennung und Behandlung von Vergiftungen
Toxikologie von Industriechemikalien Schutz von Beschäftigten am Arbeitsplatz und der Bevölkerung vor schädlichen Stoffeinwirkungen
Lebensmitteltoxikologie Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichen Stoffen – natürlicher Herkunft oder durch menschliches Handeln verursacht – in Lebensmitteln und Trinkwasser
Toxikologie der Bedarfsgegenstände Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichen Stoffen, z. B. in Kosmetika
Umwelttoxikologie/Ökotoxikologie Schutz des Menschen und der belebten Umwelt vor schädlichen Stoffen in der Umwelt, wie Wasser, Luft, Boden
Arzneimitteltoxikologie Schutz der Patienten vor unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneimitteln
Toxikologie der Pflanzenschutz-mittel und anderer Biozide Schutz des Menschen und der belebten Umwelt vor unerwünschten schädlichen Wirkungen bei der Anwendung der Mittel
Toxikologie der Pflanzenschutz-mittel und anderer Biozide Schutz des Menschen und der belebten Umwelt vor unerwünschten schädlichen Wirkungen bei der Anwendung der Mittel

Während sich die Toxikologie anfänglich vorwiegend mit der Erkennung und Behandlung akuter Vergiftungen bei vorsätzlichen bzw. versehentlichen Vergiftungen beschäftigte, steht heute vor allem die Frage nach den möglichen schädlichen Wirkungen von Stoffen bei Aufnahme sehr niedriger Dosen über lange Zeiträume im Vordergrund (chronische Toxizität). Hier sind Belastungen des Körpers mit Fremdstoffen über Nahrungsmittel, Trinkwasser, Atemluft oder aus dem Boden möglich. Insbesondere die krebserzeugende Wirkung von typischen Umweltschadstoffen wie z.B. den polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), den Dioxinen oder den PCBs, aber auch von Feinstaub oder Dieselrußpartikeln, steht heute in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt des Interesses. Hier ist eine fundierte, wissenschaftlich begründete Stellungnahme des Toxikologen zu möglichen Gesundheitsrisiken erforderlich, um Ängsten und Unsicherheit in der Bevölkerung entgegen zu wirken.

Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit spielt die Toxikologie auch eine Schlüsselrolle bei der Neuentwicklung von Arzneimitteln, indem sie während der gesamten Forschung und Entwicklung eines Medikaments dessen unerwünschte (toxische) Nebenwirkungen analysiert. Heute kommt in der EU, in Japan und den USA dank entsprechender Gesetzgebung kein Arzneimittel ohne eine eingehende toxikologische Sicherheitsprüfung auf den Markt. Hierbei kommen neben der klassischen Prüfung am Tiermodell zunehmend alternative Methoden zum Einsatz. Mit dem Ziel, den Einsatz von Tieren zu reduzieren, aber auch, um die Vorhersagegenauigkeit der toxikologischen Prüfung zu erhöhen, werden eine Vielzahl modernster molekularbiologischer, biochemischer und biometrischer Techniken in der Toxikologie im Bereich der Grundlagenforschung getestet und validiert und in der regulatorischen Prüfung für die Zulassung der Substanzen zum Einsatz gebracht.

Neben diesen mehr oder weniger traditionellen Themen haben sich für den Toxikologen durch die Einführung neuer Technologien neue Aufgabengebiete entwickelt, so z.B. durch die Entwicklung von Lebensmitteln oder Arzneimitteln, zu deren Herstellung gentechnisch veränderte Organismen eingesetzt werden.

Die Toxikologie ist in weiten Bereichen eine angewandte Wissenschaft. Die Aufklärung der Mechanismen, über die bestimmte Stoffe ihre toxische Wirkung verursachen, hat allerdings auch zu Erkenntnissen geführt, die weit über das Gebiet der Toxikologie hinausgehen und z.B. in Bereichen wie der sich stetig entwickelnden molekularen Medizin nutzbar gemacht werden können.