Kartoffel - die Giftpflanze des Jahres 2022

Keinesfalls solle die Verleihung des Titels zur Giftpflanze des Jahres den Verzehr der leckeren stärkehaltigen Knolle beschränken, so betont der Botanischen Sondergarten in Hamburg-Wandsbek, der bereits seit 2005 jährlich diesen Titel nach öffentlicher Abstimmung vergibt. Vielmehr wolle man durch die Wahl der Kartoffel zur Giftpflanze des Jahres das Bewusstsein dafür schärfen, dass es mit wenigen Grundkenntnissen problemlos möglich ist, unfallfrei mit Giftpflanzen in Haus und Garten zu leben. Denn für die Biodiversität spielen Giftpflanzen eine wichtige Rolle.

Kartoffeln gehören zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) für die u. a. die Bildung von Alkaloiden charakteristisch ist. Das bedeutendste Alkaloide in der Kartoffel ist α-Solanin. Hohe Gehalte finden sich in allen grünen Pflanzenteilen. In der Knolle sind Keime, Augen und unreife, grüne Stellen hoch belastet.

Symptome einer Solaninvergiftung können innerhalb weniger Minuten bis nach zwei Tagen nach dem Verzehr auftreten. Geringe Mengen an Solanin können Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Fieber; größeren Mengen können zusätzlich Bewusstseinsstörungen - bis zum vollständigen Bewusst-seinsverlust - sowie weitere Störungen der Hirnfunktion, der Atmung oder des Kreislaufes verursachen. Von einzelnen tödlichen Vergiftungen wurde berichtet. Als tödlich gilt eine Dosis von 400 mg. Die Symptome können dabei innerhalb weniger Minuten bis hin zu 2 Tage nach dem Verzehr auftreten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Höchstgehalt von 200 mg/kg Kartoffel als unbedenklich eingestuft. Modernere Kartoffelsorten weisen einen Solaningehalt von 30-70 mg/kg in der Schale auf. Der Gehalt im Kartoffelkörper ist wesentlich geringer, weshalb ihr Verzehr als sicher gilt. Im Jahr 2015 wurden in einer Familie Erkrankungsfälle in Form von Erbrechen und Bauchschmerzen im Zusammenhang mit dem Verzehr von Kartoffel-gerichten beobachtet. Nachfolgende Untersuchungen ergaben einen Glyko-alkaloidgehalt von 236 mg/kg Kartoffeln, weshalb das BfR eine Anpassung des Alkaloidgehalt von Speisekartoffeln unter 100 mg/kg Frischgewicht fordert.

Text: Ute Haßmann

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Solanaceae

Neben der Kartoffel gehören viele Gift- und Heilpflanzen der Familie der Nachtschattengewächse an. Darunter Tollkirsche, Stechapfel und Bilsenkraut.

Solanum-Alkaloide

Unter der Bezeichnung Alkaloide werden natürlich vorkommende Verbindungen zusammengefasst, die ein oder mehrere heterozyklisch eingebaute Stickstoff-Atome im Molekül besitzen und meist alkalisch sind. Sie werden als Produkte des Sekundärstoffwechsels gebildet und besitzen auf Tiere und Menschen eine pharmakologische Wirkung.

Die wichtigsten in der Kartoffel gebildeten Solanum-Alkaloide sind α-Solanin und α-Chaconin, die der Pflanze selbst zur Abwehr von Schädlingen, Krankheiten und Fressfeinden dienen.

Solanum-Alkaloide sind glykosidisch vorliegende Alkaloide. Sie bestehen aus einem unpolaren Steroidkern, dem Aglykon (Solanidin), das an einen Zuckerrest gebunden ist (Glykosidalkaloid).

α-Solanin

Erstmals isoliert wurde die Verbindung im Jahr 1820 aus den Beeren des Schwarzen Nachtschatten (Solanum nigrum) von Pierre Desfossés, einem französischen Apotheker.